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Dieses Thema hat 20 Antworten
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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

28.10.2014 12:04
Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock mit Nachwort Antworten

Das Verlagshaus Schlosser bringt das Buch "Die Mauer fiel und ich bin schuld?" in der ganzen BRD zum 25. Jahrestag des Mauerfalls neu heraus. Das Buch schildert einzig den Zusammenstoß, der zwischen Günter Schabowski und Günter Brock während der Pressekonferenz am 9. November 1989 stattfand.

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BüBro Offline



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09.11.2014 09:16
#2 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Mein Buch ist erschienen - "Die Mauer fiel...und ich bin schuld?"
von Günter Brock, Journalist, kritisch gegen Ost und West, aufgetreten in der Pressekonferenz der SED in Berlin, drei krititche Fragen an den ehemaligen "ND"-Chefredakter und plötzlichen "Demokraten" Günter Schabowski.
Wie konnte er den Journalisten der ganzen Welt sagen:
"Die Öffnung der Grenze findet sofort statt"???

Test folgt

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BüBro Offline



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09.11.2014 10:57
#3 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Es ging ziemlich langweilig los.
Zur Einleitung schilderte Günter Schabowski umständlich, was doch auf der Zentralkomitee-Sitzung für ein schöpferischer und kritischer Geist geherrscht habe. Und „Einmütigkeit, nach vorn zu gehen und selbst zum Prozess der Erneuerung der Partei beizutragen.„ ...
Na toll, aber dann die erste kalte Dusche: Ein ganz wichtiger Beschluss sei die Einberufung einer Parteikonferenz...
So, so – eine Parteikonferenz, d. h.:. Kein Parteitag! Einen Parteitag aber haben die wahren Reformer im ganzen Land gefordert, denn: eine Parteikonferenz konnte höchstens den einen oder anderen Betonkopf beseitigen, ein Parteitag aber die ganze Parteiführung. Das also hatten die ach so „schöpferischen und kritischen„ Erneuerer in dem ZK-Plenum wieder mal verhindert! Und Genosse „Günter„ lieferte auch gleich die Ausrede: Die Einberufung eines Sonderparteitages erfordere laut Statut eine Vorbereitungsfrist von zwei Monaten ... Na bravo, oder will da jemand das Statut verletzen?!
Mit einem Wort, Genosse Schabowski war wieder mal gut drauf! Der Korrespondent der „BZ„, der die Frage aufgeworfen hatte, war abgefrühstückt. Ob es ihm, ob es Bark jetzt auch so ergehen würde?
Keine Zeit mehr, einen Rückzieher zu machen – die Genossin mit der Mikrofon-Angel erteilte ihm das Wort:
„Günter Bark. Ostseestudio„, begann er, „Kollegen haben mich gebeten, an Dich, Genosse Schabowski, im Zusammenhang mit Deiner Wahl zum Schirmherrn der Massenmedien der DDR ein paar Fragen zur Person zu stellen.
Man möchte gern wissen, worin Du deine innere Rechtfertigung für diesen Posten siehst, wo Du doch viele Jahre lang als Chefredakteur des „ND„ führend bei der Realisierung der Pressepolitik Honeckers mitgewirkt hast?„

Auszug aus der SVZ als Fußnote! Seite 71 (Faksimil)


(Nur diese 14 Zeilen über Barks Auftritt gingen am Abend des 9. Septembers durch die Zensur an die Massenmedien der Noch-DDR. Und auch sie tendenziös gedrechselt und ohne Nennung des Fragestellers.)

Es lief ganz gut. Bark warf einen Blick in die Runde. Während die Journalisten bei den Erläuterungen zur Parteikonferenz ziemlich gelangweilt dreingeschaut hatten, drehten sich jetzt überall die Hälse und einige Kameras, um den Fragesteller zu suchen. Der aber war nicht aufgestanden und hatte hinter den stehenden Kameraleuten einen gewissen Blickschutz.
Schabowskis Reaktion: Nachdenklichkeit, Erstaunen, er nahm die Brille ab, als wie um besser hören zu können ... Bark fuhr also, sicherer geworden, fort:
„Eine zweite Frage, die gestellt wird: Was hast Du selbst gegen den Personenkult getan, der in unserer Presse betrieben wurde, beispielsweise gegen so eine übergeschnappte Idee vom 12. März 1984, im „ND„ dreiundvierzigmal Mal das Bild Erich Honeckers zu veröffentlichen?„
Bei dem Ausdruck „übergeschnappte Idee„fuhr Schabowskis Kopf regelrecht hoch, und nach Beendigung der Frage lachten ringsherum die Journalisten.
„Die dritte Frage, und letzte„, fuhr Bark nun fort, „auch von Genossen gestellt bei uns: Ist es zufällig, dass dein Bild gegenwärtig in Presse und Fernsehen öfter zu sehen ist als gar das des Generalsekretärs...„
Wieder Gelächter der Journalisten, Schabowski lächelte, wurde aber sofort wieder finster, als Bark fortfuhr: „Wenn man das verfolgt, so haben viele Kollegen den Eindruck, dass hier schon wieder ein klein wenig ma-ni-pu-liert wird.„
Was immer Schabowski nun antworten würde – und Bark war überzeugt, dass der sich geschickt herausreden würde – die Wahrheit über diesen Mann ist wenigstens einmal öffentlich gesagt. Und so hörte er streckenweise kaum richtig zu, was Schabowski mit Bassstimme, heftigem Augenrollen und scharfen Mundwinkeln von sich gab. Zuerst nutzte der die durch sein Mitlächeln bei der letzten Frage aufgekommene lockere Stimmung aus. Er möchte, sagte er, die letzte Frage und die Antwort(?) an den Fragesteller zurückgeben. Er habe nicht den geringsten Einfluss darauf, wie oft sein Bild in der Zeitung erscheine….
Na, dachte bei sich Bark, ob sich einer der Kollegen meldet, die da jeden Morgen Gewehr bei Fuß stehen mussten? Aber nichts dergleichen. Alles immer noch dieselben Feiglinge.
Stattdessen Genosse „Günter„: Wenn man in der Öffentlichkeit aktiv sei, dann sei das ja unvermeidlich. Trotzdem wollte er sich die Bemerkung zu Herzen nehmen:
„Machen Sie also bitte mal alle Klicks und Klacks aus, damit ich nicht in den Verdacht kultischer Neigungen komme ...„
Unterm Strich verwendete Schabowski immerhin mehr als ein Drittel seiner Rede auf die Beantwortung dieser Frage. Wusste er doch, dass die Enthüllungen einen Keil treiben konnten zwischen ihn und die übrigen Politbüromitglieder. Die waren trotz der jüngsten Veränderungen eine strenge Hackordnung gewöhnt, und wenn sich einer über die Gebühr seiner Funktion in den Vordergrund drängte, konnte das schnell mit der Verdikt-Vokabel „Überheblichkeit„ bedacht werden.
„Dann möchte ich mich„, fuhr Schabowski fort, „gegen den Begriff Schirmherr wenden. ich bin Sekretär für ... äh ... für .... diese ... die Informationspolitik der Partei und die Zusammenarbeit mit den Massenmedien ...„ Natürlich werde er sich dafür ein Konzept erarbeiten.
Das Stottern bei der Funktionsbezeichnung war nicht zufällig. Lag ihm doch gewiss die alte Bezeichnung auf der Zunge: „Sekretär für Agitation und Propaganda„. So hieß der Posten 40 Jahre lang, und dafür war die Bezeichnung „Schirmherr„ eine sehr schmeichelnde. Er wusste natürlich auch, warum Bark darauf angespielt hatte, um nämlich an die Allmacht dieses Postens zu erinnern und davor zu warnen, sich von dem neuen Wort irreführen zu lassen. Schon immer waren ja die SED-Strategen Meister darin, gefährdete Postulate fix umzubenennen, damit man umso besser an ihnen festhalten konnte.

(Zeitungsabschnitt aus „Bild„ einfügen. Seite 81)

Inzwischen war Schabowski zum Kern der Sache gekommen, zu seiner Vergangenheit. Und da war Schluss mit „Klicks und Klacks„, jetzt ging es darum, das Image zu retten, das er sich so mühsam in der Wende-Öffentlichkeit aufgebaut hatte. Drum auch verwendete er fast zwei Drittel seiner Redezeit für alle möglichen Rechtfertigungen:
„ Was meine Vergangenheit anbelangt, so gebe ich zu, dass ich sowohl Subjekt als auch – und das muss ich in Anspruch nehmen – Objekt dieser Politik war, die wir jetzt alle beklagen. Unter subjektiv verstehe ich, dass wir heute natürlich alle – ich nehme an, der Fragesteller auch – klüger sind als damals...„
Da also die erste Lüge und der erste Angriff auf den Fragesteller: ein geschickter Versuch, Bark mit in sein Boot zu ziehen. Schabowski wusste sehr gut, dass der kleine Günter jetzt und hier nicht aufstehen und mit ihm polemisieren konnte. Und so erfuhren die Journalisten nichts von den Stunden, da Bark schon vor zehn Jahren seinem damaligen Chefredakteur, der mit dem Regierungs-Jet nach Moskau gekommen war und eine Suite im Hotel „Mir„ belegte, des langen und des breiten die Einseitigkeit der „ND„-Berichterstattung vor Augen geführt und zum Schluss gesagt hatte:
„Die Zeitung ist keine Zeitung mehr des Volkes, sondern ein Funktionärsblatt.„
„Na gut, es geht ja hier nicht um mich„, dachte Bark, obwohl es ihn wurmte, wie machtlos er hier saß, während der da vorn seine Position schamlos ausnutzte.
Jossif Wissarionowitsch, ob das immer so weiter gehen würde in diesem Leben – die kleinen Günters unten im Sande und die großen mit dem Knüppel von oben?!
Wenn er bloß an die damalige Begegnung in Moskau zurückdachte! Anlass war die alljährliche Tagung der Chefredakteure der sogenannten Bruderorgane der „Prawda„, also der Zentralorgane der sozialistischen Länder - „Rude Pravo„, „Tribuna Ludu„ und eben auch „Neues Deutschland„.
Schabowski war gerade eben erst Kandidat des Politbüros der SED geworden, wie lange vor ihm Hermann Axen und zwei Jahre zuvor Joachim Herrmann.
Das „demonstrierte„ er unübersehbar: Bark hatte den Auftrag erhalten, den Genossen „Kandidat des Politbüros„ vom Flugplatz abzuholen. Er erfuhr, Schabowski komme mit einer TU-134, einem ziemlich großen sowjetischen Passagierflugzeug.
Und da war sie auch schon gelandet. Heraus kamen - „Günter„ mit Mäppchen unterm Arm, seine Frau Irina und der „Bleistift„, ein gewisser Genosse Leinkauf, auch ein ND-Redakteur, den Bark als besonders diensteifrig in Erinnerung hatte.
Weiter niemand, niemand aus dem ganzen großen Jet!
Das erste nach kurzer Begrüßung:
„Bist Du der einzige, der zu meinem Empfang gekommen ist?„ - „Nein, da ist noch ein Genosse von der Prawda, wo ist er denn, ach, da ist er ja!„
Das zweite: „Hol doch mal unsere Koffer aus dem Flugzeug, die woll`n wir gleich mit ins Hotel nehmen ...„
Während der „Große Günter„ sich mit dem Mann vom Großen Bruderorgan („nicht mal den Chefredakteur haben sie geschickt!„) über die bevorstehende Konferenz unterhielt, jagte Bark nach den Koffern.
Zuerst drang er bis zum Chef der Passagierabfertigung vor. Der aber sagte:
„Warum haben die denn ihre Koffer nicht gleich mitgenommen? Jetzt müssen Sie erst zum Zoll und dann, weil es sich ja um ein Regierungsflugzeug handelt, auch noch zur Sicherheit!„
In der traumhaft kurzen Zeit von einer halben Stunde bewältigte Bark diese Hürden und schleppte gemeinsam mit einem Sergeanten des KGB die Koffer an.
Der Kommentar vom „Günter„: „Also, zu den Fixesten gehörst du ja nicht gerade ...„
Der größte Koffer – er mochte zwanzig Kilo wiegen und gehörte Frau Irina – war für Barks Dienstwagen bestimmt.
„Bring meine Frau zu ihren Eltern ...„
„Und wo wohnen die?„
„In Chimki. Irina, du wirst ja wohl den Weg noch wissen!„
„Weiß ich selber, aber Chimki ist eine geschlossene Stadt, und das Außenministerium macht keinen Unterschied zwischen uns und den westlichen Korrespondenten ...„.
„Also nun reicht mir das bald mit deiner Umständlichkeit. Dabei hat man mir gesagt, dass du dich hier wie zu Hause fühlst. Also, finde gefälligst einen Weg! Ab durch die Mitte! Und du auch, Irina!„
Nun ja, Bark wusste einen Weg: zwei Nummernschilder mit „MOS„ (Moskauer Behördenwagen) am Anfang.
Die hatte er in all den Jahren nur einmal verwendet, das war, als Luis Corvalan, ausgetauscht gegen den Bürgerrechtler Bukowski, in Moskau eintraf und die Redaktion unbedingt wissen wollte, wo der ankam.
Zähneknirschend klemmte Bark die „MOS„-Schilder vor die „K-85„-Zeichen (Korrespondent DDR) und fuhr mit Irina los in Richtung Chimki, bangend, dass ihm ja nichts passieren möge, sodass die Miliz ihn anhielt und am Ende noch die Papiere sehen wollte. Denn dann wäre er seinen geliebten Job als Auslandskorrespondent los gewesen.
Trotzdem grübelte er beim Fahren, was wohl in dem Riesenkoffer drin sein möge. Aber nein, es war wohl keine Frage. So ein Glück hatte ja kaum mal eine russische Familie, dass sich die Tochter einen aus dem DDR-Politbüro angelte, der Zugang zu gewissen Büffets und Sonderläden hatte!
Im Übrigen war Irina Schabowski eines der russischen Mädchen, die den richtigen slawischen Charme und die östliche Schönheit besaßen sowie auch die Anschmiegsamkeit, die man von einer Frau in östlichen Breiten erwartete. Inzwischen war sie wesentlich selbstbewusster geworden, war sie doch ohne lange Fisimatenten zur Leiterin und Moderatorin einer DDR-Fernsehsendung avanciert - „Russisch for you„ oder so ähnlich.
Na ja, alles Vergangenheit....
Bark konzentrierte sich wieder auf die Antwort-Rede vom großen Günter.
„Unter den subjektiven Möglichkeiten„, erzählte er gerade, „verstehe ich natürlich, dass wir uns zu bestimmten Praktiken der Medienarbeit wegen der Parteidisziplin bekannt haben.„ So war`s – nur Ja-Sager konnten Chefredakteur werden.

„Ich will hier gestehen, dass ich die neue Funktion nicht leichten Herzens übernommen habe„, fuhr Schabowski fort. „Ich hatte mir geschworen, als ich den Charakter der Arbeit (als 1. Sekretär der Bezirksleitung Berlin, also nach dem Ausstieg aus dem „ND„) voll verstanden hatte, also da hatte ich beschlossen, nie wieder in die Arbeit zurückzukehren, aus der ich gekommen bin. Nicht zuletzt aus den Gründen, die uns alle in der Pressearbeit so furchtbar belastet haben ...„
Mal ein ehrliches Wort! Aber noch nicht die ganze Wahrheit. Die lautete nämlich – kaum ein anderer Berufsstand wurde von der SED so gegängelt, gesiebt und zensuriert wie gerade die Journalisten, und da hat der große Günter wahrlich fleißig mitgemischt.
„Aber, wie det so is„, nun wieder Schabowski im populären Berlinerisch. „der Mensch denkt, und der liebe Gott lenkt, nu bin ick wieder da gelandet .... Im vollen Bewusstsein dieser meiner Vergangenheit bin ich entschlossen, in dieser Arbeit alles zu tun, damit die Arbeit der Medien unserer Republik künftig, äh, vor allem der Medien unserer Partei, unter anderen Auspizien verläuft als das damals der Fall war....„.
Na bravo, also doch Schirmherr, und zwar der „Medien unserer Republik„!
Dieser Mann war ja total durcheinander, den hatte der „Klasseninstinkt„ völlig verlassen!

Und dann kam`s lustig: „Wissen Sie – wenn man als Kind viel geprügelt wurde, prügelt man seine Kinder später gleichfalls oder man zieht den Schluss, so eine Methode des Umgangs mit dem Menschen nicht zu praktizieren. Ich habe mich für die zweite Schlussfolgerung entschieden ...„.
Jossif Wissarionowitsch, Väterchen Schabowski will uns nicht prügeln! Danke!
Völlig klar – der wollte nur noch eines: Beifall als Perestroika-Mann.

Ein historischer Schusselfehler

Knapp eine viertel Stunde später sollte sich das in geradezu historischen Dimensionen bestätigen. Nach einer Bla-Bla-Runde über die Rolle der Frau im gewendeten Deutschland, bei der die Nachfolgerin von Margot Honecker, Genossin Labs zu Ehren kam, die bislang als Marionette im Präsidium gesessen hatte, kam Schabowski völlig unerwartet auf „die Souveräne Entscheidung des Bürgers zu reisen, wohin er will„ zu sprechen
Bark glaubte, er hörte nicht recht! Das meinte der doch nicht ernst?!
Aber da ging es auch schon weiter, konfus und oft regelrecht durcheinander:
„Wir sind natürlich besorgt, dass die Möglichkeiten des neuen Reisegesetzes – es ist ja erst noch ein Entwurf ... allerdings ist heute eine Entscheidung getroffen worden (fragender Blick zu Genossen Leinkauf, der die ganze Zeit bescheiden am Bühnenvorhang stand), es wurde eine Empfehlung des Politbüros befolgt, die Entscheidung, den Passus aus dem Gesetz herauszunehmen und in Kraft zu setzen, der die ständige Ausreise aus der DDR, also das Verlassen der Republik, wie es so schön heißt (?), regelt. Es geht doch nicht an, dass sich diese Bewegung vollzieht über einen befreundeten Staat, was ja auch für diesen Staat nicht ganz einfach ist. Deshalb haben wir uns entschlossen, eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über die Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen ...„.
Überall verdutzte Gesichter.
Damit kam der jetzt, sieben Minuten vor Schluss der Pressekonferenz!
Diese sensationelle Neuigkeit zur Frage aller damaligen Fragen, die hatte der große Günter total vergessen!

(Fußnote: In seinem Buch „Der Absturz„ schrieb G.S. nach der Wende, dass er das Papier, oft auch als ´Zettel´ bezeichnet, kurz vor seinem Gang zur Pressekonferenz von Egon Krenz überreicht bekommen habe, wozu der Parteichef gesagt habe: ´Verlese das. Das ist für uns ein Knüller!´„ Kurz vor Redaktionsschluss dieser 2. Auflage des vorliegenden Buches erklärte er aber zur Überraschung des Autors in der „Phönix„-Sendung „100 Jahre – der Countdown„: Egon Krenz sagte zu mir: ´Verlese das. Es gilt zwar erst für Morgen, aber man kann es schon jetzt verkünden.´ Der Autor glaubte nicht recht zu hören. Wenn das so stimmen sollte, dann ist es ja gleich gar nicht mehr zu verstehen, dass G.S. erstens die Verkündigung fast vergessen hat und zweitens nicht gewusst haben will, von wann an die Verordnung des Ministerrates in Kraft tritt. Mehr noch, Man müsste sich ja fragen, ob seine Antwort: ´ab sofort´ nun eine totale Vergesslichkeit, ein Irrtum oder gar Absicht war. Diese Fragen ließen dem Autor keine Ruhe, und er suchte Egon Krenz in seiner Wohnung am Ostsee-Damm von Dierhagen auf, um zu erfahren, was denn der ehemalige Parteichef damals wirklich gesagt habe. Die vollkommen selbstsichere Antwort: ´Ich habe Günter Schabowski nicht ausdrücklich gesagt, dass die Verfügung erst ab dem nächsten Tag gilt. Das stand ja auf dem Papier als Sperrfrist groß drauf, und da habe ich doch angenommen, dass Schabowski das lesen wird und dank seiner Intelligenz die Fragen der Journalisten richtig beantworten wird…´ So bleibt dem Historiker eine erneute Konfusion von Seiten des „Maueröffners„ auf dem Tisch der Forschung: Ist auch diese Äußerung Schabowskis wieder ein Gehirnversagen oder ein Prestige-Manöver?)

Das wollte er jetzt nicht zugeben und kaschierte seinen Fehler mit dem Einwurf: „Eigentlich müsste diese Mitteilung schon in Ihrem Besitz sein ...„
Jossif Wissarionowitsch! Dann würden die Journalisten doch wohl längst danach gefragt haben, statt sich den Kleinkrieg der beiden Günters und die Ergüsse über die Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus anzuhören! Für wie blöd hielt der seine eigene Gilde?
Einer der Journalisten stellte denn auch die entscheidende Frage:
„Gilt das ab sofort?„
Jetzt zeigte sich, dass Schabowski die „Mitteilung„ selber nicht kannte, denn er ließ sie sich geben und hub an, daraus Auszüge vorzulesen, wobei er die Journalisten, also sowohl den kleinen Günter vom Ostseestudio wie auch den Möller vom Tagesspiegel mit „Also, Genossen, ...„ anredete:
„Also, Genossen, Privatreisen können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt...
Zweitens. Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der VP, also der Volkspolizeikreisämter, sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen..,
Drittens. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen...
Viertens. Damit entfällt die Erteilung von Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR bzw. die ständige Ausreise ... über Drittstaaten...„

Hartnäckig meldete sich wieder ein Journalist:
„Von wann an gilt das?„
Darauf Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis...„ Nochmaliger Blick auf das Papier:
„Ja, hier heißt es: ... hat der Ministerrat der DDR beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung der Volkskammer folgende Bestimmungen für Privatreisen und ständige Ausreisen aus der DDR ins Ausland... „ und nun mit Erleichterung:
„. mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt werden ...„

Als Fußnote setzen:
In seinem Buch „Der Absturz„ versucht G.S. die Sache so darzustellen, als hätte er langfristigen Anteil an der Entstehung der neuen Ausreiseregelung gehabt, und so behauptet er auf Seite 302:
„Ich hatte die Maueröffnung bekannt gegeben.„
Und ein paar Absätze weiter: „Ich war nicht nur der Bote, ich war auch die Botschaft.„
Wie ist es dann zu erklären, dass er laut der vorliegenden autentischen Fernsehaufzeichnung den Text der Reiseregelung kaum kannte, und wie konnte der so „bewusste Gestalter der Geschichte„ nach der Pressekonferenz seelenruhig nach Hause fahren, wo er, wie er schreibt, „gegen 22 Uhr einen Anruf erhielt„?!
Ein Politiker „gibt die Maueröffnung bekannt„ und guckt nicht mal Fernsehen!
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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

11.11.2014 07:02
#4 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Was war meine Schuld?
Meine drei Kritiken haben ganz sicher bewirkt, dass Schabowski unter den Journalisten den Ruf einbüsten wird, den er sich erobert hatte. Natürlich musste er befürchten, dass mein Auftritt überall in Presse und Fernsehen erscheinen wird. Ihm als lebenslanger Superparteicheff war es ihm noch nie passiert, dass ihm auf einmal von einem DDR-Journalisten derartig eingeheizt wurde. Ich bin heute noch der Meinung, dass er darüber so betroffen war, dass er vergass, was er eigentlich in dieser Pressekonferenz zu tun hatte und zweitens selbst nicht richtig informiert war.
Was er mit seinem Ausspruch "Die Öffnung der Grenze wirkt sofort" angestellt hat, verhinderte die zweifellose Möglichkeit, durch eine allmähliche Abschaffung des Sozialismus politische Forderungen zu retten. Volkseigentümer fortzusetzen, hätte die DDR fordern können, ebenso Erteilung von Bankleistungen, Einbehaltung der Arbeitsplätze, und anderes. Vor allem Lieferung von Grundstoffen der Industrie und moderner Produktionsmittel, deren Mangel ja eigentlich der Hauptgrund dafür bestand, dass der Sozialismus nicht genaus so reich werden konnte wie der Westen. GB

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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

13.11.2014 21:26
#5 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Zitat von BüBro im Politikforum-net:
Ärger für mich:
Gestern wurde erstmalig ein Antworttext des Schabovski in der berühmten Pressekonferenz vorgeführt, ich wurde auch gezeigeit, aber, dass die kritische Frage an den SED-Führer von mir kam, das wurde nicht genannt.

Dazu ein Juser:
Tja ... wahrscheinlich plauderst du nicht hohl und in höchster Geschwindigkeit wie Lanz , stellst nicht mit tiefernstem Ausdruck die hohlsten Fragen wie Plasberg und
bist nicht so nichtssagend wie Seibert .......

Wie sollst du da im TV erwähnt werden ....

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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

10.12.2014 20:09
#6 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Zitat von Brathering
-------------"Aus Sicht der Sowjetunion war das Erschießen von Deserteuren zwangsläufig erforderlich um nicht noch schlimmer als nach dem 1WK zu enden.
Dem Individuum räume ich natürlich auch ein Widerstandsrecht gegenüber dem Staat ein, wie ihm gegen das Individuum.
Meine Sympathie variiert immer vom Ereignis welches zu solchen Dilemmen führt.-"


Dazu ich:
Du hast das Gefühl. Erwähnst Wolkograd. Da war ich auch. Noch hinreisender war Workuta. Da erzählten mir ehemalige

Gulag-Opfer. Hier ein kurzer Text (aus meinem Buch "Die Mauer fiel und ich bin schuld" :

"Aus Workuta musste Kohle kommen, auf Biegen und Brechen, obwohl dort noch kein einziger Schacht ausgebaut war und noch kein einziges winterfestes Haus stand, von Straßen, Heizkraftwerken, Krankenhäusern und Geschäften ganz zu schweigen.
"Stalin kannte kein Erbarmen," ließ uns der Brigadier wissen, "die Friedenspläne für die Erschließung solcher Regionen landeten in der Schreibtisch-Schublade. Wer in Moskau oder sonst einem Ort des Landes auch nur das kleinste Vergehen beging, saß schon einen Tag später im Waggon hierher oder in einen anderen GULAG, der für irgendeine Verteidigungsaufgabe von Bedeutung war. Die Älteren, die das überlebt haben und nach der Befreiung hier geblieben sind, erzählen es:
Tausende sind sowohl über als auch unter Tage elend gestorben von Hunger, Kälte, Krankheiten, Unterernährung und Vitaminmangel."
Wen es im Leben oft erwischt, wer viel Misserfolg hat oder vorzeitig stirbt, nennt man in Russland einen "Außenliegenden". Hier im Workuta der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde dieser Begriff zur grausamsten Wirklichkeit: Wenn die Verbannten nach der Arbeit zu ihrer kurz bemessenen Schlafzeit ins Lager kamen, mussten sie in Zelten und Baracken um einen Platz in der Mitte der auf dem Boden eng zusammen Aus liegenden Kameraden kämpfen. Wer zu spät kam oder zu erschöpft war und am Rande einschlief, wurde am nächsten Morgen steif gefroren hinausgetragen, ein"Am-Randeliegender" halt.
"Aber Flucht half da auch nicht. Die Verbannten nannten Workuta das "Gefängnis ohne Gitter", erzählte Wladimir weiter. "Die meisten wurden sowieso eingefangen oder gleich erschossen. Die Anderen kamen auch nicht weit. Sie wurden schnell zu einem "Schneeglöckchen", wie man die Leichen nannte, die im Sommer unter dem Schnee hervor auftauchten."
Zuerst gab es auch keine Eisenbahnlinie. Sie wurde in fieberhafter Eile, in Tag- und Nachteinsetzen gebaut.!

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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

11.12.2014 13:14
#7 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Vorsicht ehe der

AUSNAHMEZUSTAND

gerufen wird!!!!

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Peter Dornbruch Offline



Beiträge: 3

20.02.2015 19:13
#8 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Das neue Alte
Peter Dornbruch

Was ist gescheh'n, konnt' ich's verhindern?
Das „Neue“ stürzt auf uns herein!
Was wird aus Kind und Kindeskindern?
'nen kalten Hauch flößt es mir ein.

Was ist gescheh'n, kann ich verhindern,
dass Kapital uns weiter schleift?
Kann ich das Ungewisse lindern,
dass Angst fortan das Land durchstreift?

Ist, was wir lernten, denn gelogen?
Heißt es denn heut' nur „cool“ zu sein?
Bestimmt nur noch der Ellenbogen,
sind Frieden, Freiheit nur noch Schein?

Ganz exklusiv wird stets berichtet
vom „wahren Recht und Menschlichkeit“,
von Schickeria - traumbelichtet,
von fernem Dunkel, fernem Leid.

Zu viele geh'n auf leisen Sohlen,
verbeugen sich vor'm Gottgericht.
Zu viele müssen Trost sich holen
und alles bleibt so wie es ist.

Das Alte trägt nur neue Kleider,
darunter steckt das gleiche Tier
mit Zähnen blutig, braun und breiter
und unberechenbarer Gier.

Peter Dornbruch
Zapel, Dezember 2014

Was ich will:
Ein Sozialismus, der wirtschaftlich effektiv, politisch demokratisch, moralisch sauber und in allem den Menschen zugewandt ist!

kitty Offline



Beiträge: 5

20.02.2015 20:33
#9 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Das Gedicht ist gut, lieber Peter. So empfinden viele!

BüBro Offline



Beiträge: 1.510

20.02.2015 21:26
#10 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Nachdenken, nachdenken...

Zu wenig Leute tun das...

Dabei haben wier geden Tag Gründe!!!

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kitty Offline



Beiträge: 5

21.02.2015 09:55
#11 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Du sitzt also da um nachzudenken. Und die anderen Menschen tun das nicht, oder zuwenig - deiner Meinung nach. Willst Du also auch beurteilen wer wann genügend nachgedacht hat? Andere denken über ihre Mitmenschen nach. Andere machen sich in der Kommunalpolitik nützlich.

BüBro Offline



Beiträge: 1.510

21.02.2015 14:03
#12 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

AW: Syrien-Diskussion, Forum-net
Zitat von günterbro
O ja, ich könnte hier darüber eine ganze Seite voll schreiben. 'Seit ich 2. Klasse ging. Werde nie vergessen, wie die älteren Hitlerjungen mit ihren gelben Jacken die Messer an die Hofwand schlägten und laut sangen:

"Wetzt die langen Messer...Blut muss fließen, knübbeladerdick, wier pfeifen auf die Freiheit der Judenrepublik..."

Meine Eltern hatten einen Raucherlagen und waren Freunde von mehreren Juden, die wie sie ihre Sachen im Lagen anbaten und ehrlich verkauften. Dann zweigte mir meine Mutter eines Tagen, dass der Ruf rum ging: "Kauft nicht bei den Juden!"
Meine schlimmste Erinnerung war, als mein Vater verreisen musste und wir wollten mit ihm noch ein Käffchen trinken. Am Tisch saß ein hübscher junger Soldatenoffizier. Der war betrunken und lutschte noch immer mehr Schnapps.
"Lassen Sie mich," rief er meiner Mutter zu, und dann:"Ich kann nicht mehr Mernschen töten". W'ie denn das, fragte mein Fater. Darauf der Offizier: "Schon mal was vom KZ was gehört???" Ein bar Minuten später lag er flach auf dem Tisch. Er wurde weg geholt... Ich hatte ja nicht alles verstanden, aber meine Mutter hat mir später gesagt, dass der Junge vor allem alte Juden tüten musste. GB


Antwort "enize!:
Hallo Günterbro, Deine Schilderung geht zu Herzen. Immerhin danke dafür. Viele wollen ja nicht mehr glauben, was damals passierte. Viele wollen auch nichts gesehen haben.

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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

21.02.2015 15:23
#13 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Ja Peter Dornbruch, NACHdenken, Tun wir/s genug?

Was ist gescheh'n, konnt' ich's verhindern?
Das „Neue“ stürzt auf uns herein!
Was wird aus Kind und Kindeskindern?
'nen kalten Hauch flößt es mir ein.

Was ist gescheh'n, kann ich verhindern,
dass Kapital uns weiter schleift?
Kann ich das Ungewisse lindern,
dass Angst fortan das Land durchstreift?

Ist, was wir lernten, denn gelogen?

Leider hast Du Recht, das zu fragen.

Hier mal ein Erlebnis von mir:

Es war nach einer Bundestagwahl. Klar nach der größten Wirtschaftskrise. Ich rief laut:"Katastrophe"! Wie kann es nach DEM Ereignis nicht sofort Massen von ehemaligen DDR-Bürgern geben, die zur Linkspartei stürmen? Ich forderte, dass man darüber sofort viel nachdenken muss. Dafür wurde ich vom Vorstand beleidigend geschimpft. Es hat sich in 15 Jahren nicht geändert von Seiten des Vorstandes.

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BüBro Offline



Beiträge: 1.510

23.02.2015 09:02
#14 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

[quote="kitty"|p2151]Du sitzt also da um nachzudenken. Und die anderen Menschen tun das nicht, oder zuwenig - deiner Meinung nach. Willst Du also auch beurteilen wer wann genügend nachgedacht hat? Andere denken über ihre Mitmenschen nach. Andere machen sich in der Kommunalpolitik nützlich. [/quote)

Was Ihr da nützlich macht, wird über Nacht unter den Ausnahmezustand rutschen.
Ich habe das hier schon alles behandelt.'Denk nach!
Was muss statt all dem anderen ist:
Jeden Tag beweisen, wie das Kapital regiert. Punkt. GB

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kitty Offline



Beiträge: 5

23.02.2015 14:56
#15 RE: Neu - "Die Mauer fiel..." von Günter Brock Antworten

Ich finde es unverschämt, dass Du allen einreden willst,dass sie falsch denken. Du hast nicht die Deutungshoheit über das, was geschieht.
Nur weil "du alles schon hier behandelt hast", muss das nicht der Stein des Weisen sein.

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