Unter der Überschrift "Mein Kampf" erscheint als Schulbuch
verkündete die Bild-Zeitung am 25. April: "Nürnberg - Die Bayerische Landesregierung will Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" in einer wissenschaftlich kommentierten Version für Schüler veröffentlichen - um Jugendliche aufzuklären. Das sagte der beyerische Finanzminister Markus Söder(CSU). Hintergrund: In drei Jahren verfallen die Urheberrechte, die beim Freistaat Bayern liegen. Dann würde das Werk wohl ohnehin in den freien Verkauf gelangen."
Der alltägliche Leser der "Bild" wird dieser Nachricht kaum etwas Böses ankreiden. Dem erfahrenen Politiker müsste doch aber eine Reihe von Fragen kommen:
1. Warum hält die Redaktion diese Meldung für so wichtig, dass man sie auf der Seite Eins in Fettdruck stationiert? 2. Ist das Hitlerwerk tatsächlich nichts wie eine Hetzschrift, sondern doch wohl eine ideoliogische Vorbereitung des Völkermordes? 3. Können wissenschaftliche Kommentare die Wirkung eines Hitler-Textes außer Gefecht setzen? 4. Ist der "Hintergrund" all dessen echt nichts weiter als der Verfall der Urheberrechte? 5. Wer schließlich wird sich über die Mitteilung, dass "das Werk wohl ohnehin (in drei Jahren)in den freien Verkauf gelangt", am meisten freuen?
-------------------------- Wir brauchen keine Millionäre
Als Historiker habe ich nichts einzuwenden. Es ist immer gut, wenn sich Lernende mit den Originalquellen auseinandersetzen. Dabei lässt sich auch der eine oder andere Mythos entzaubern. Gefährlich wird es dann, wenn Geschichtslehrer überfordert sind.
Keine Antwort. Na gut, dann eine kleine Ergänzung von mir:
Wenn unsere Partei auf die Bild-sche Schleichwärbung nicht eingegangen sein sollte, dann hat sie wieder mal eine Gelegenheit versäumt, unseren Gegner zu entlarven.
Genauso wie nun schon bei vier anderen Gelegenheiten, auf die ich seit einiger Zeit hingewiesen habe. Wann werden wir lernen, selber anzugreifen anstatt zu warten, bis wir WIDER mal angegriffen werden.GB
-------------------------- Wir brauchen keine Millionäre
Dazu schnell mal eine lustige Geschichte. Das war im Jahr 1959. Ich hatte mich um Eintritt in die Partei beworben. Wurde zum Parteisekretär gerufen, einem Korvetten-Kapitän. "Wird wohl nichts werden mit Deiner Aufnahme. Man sagt, du hörst Westsender. Stimmt das?"
-------------------------- Wir brauchen keine Millionäre
"Mein Kampf" ist ein Buch, das Parolen enthält.
Verbreite ich also das Buch, verbreite ich Nazi-Parolen. Oder ?
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Viel entscheidender ist doch, wie HEUTE diese Parolen wirken, in Kenntnis, was sie seinerzeit bewirkt haben, und wozu sie geführt haben.
Wenn man "Mein Kampf" heute liest - im Internet ist es schon lange verfügbar - dann tritt die Banalität der ganzen Ideologie zu Tage. Durch ein angebliches "Verbot" würde es dagegen nur mystifiziert und überhöht.
Bei seiner Rede in Deutschen Bundestag am 3. Juli 2014 sagte der deutsch-französische Publizist und Politikwissenschaftler Alfred Grosser:
"... Warum geschah das alles? Warum diese furchtbaren Opfer? Die Antwort ist: Hitler wollte den Krieg. Sein Leben hatte keinen anderen Zweck als den Krieg. Er verwandelte unser Land in eine riesige Kriegsmaschine und jeder von uns war ein Rädchen darin.
So sprach Bundespräsident Walter Scheel in seiner ergreifenden Rede zum 8. Mai 1975 – noch menschlicher vielleicht als die zu Recht gerühmten Rede von Richard von Weizsäcker zehn Jahre später. Manche Texte von Adolf Hitler sollten in den deutschen Geschichtsbüchern stehen (sofern es noch Geschichtsunterricht als Pflichtfach gibt). Zum Beispiel zwei Ansprachen an seine Generäle und Minister:
Am 23. Mai 1939: Es entfällt also die Frage, Polen zu schonen und bleibt der Entschluss, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen.
Und am 22. August, während Ribbentrop nach Moskau fliegt: Wir brauchen keine Angst vor Blockade zu haben. Der Osten liefert uns Getreide, Kohle, Blei, Zink. (...) Ich habe nur Angst, dass mir noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt ..."
Ich finde, er hat Recht: Diese Texte sollten bekannt gemacht werden und genau so das erbärmliche "Mein Kampf".
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Noch zur Korrektur einiger Aussagen in diesem Thema:
Die "kommentierte Ausgabe" wird nicht als "Schulbuch" veröffenticht.
Mit den Kommentaren von Historikern will man anderen Neuauflagen zuvorkommen, da der "Urheberrechtsschutz" (fristgemäß) abläuft und der "Rechteinhaber" Veröffentlichungen nicht mehr verhindern kann.
Das jämmerliche Machwerk war auch nicht "verboten", sondern es wurde nicht in deutscher Sprache verlegt.
"Besitz, Kauf und Verkauf" antiquarischer Exemplare war in Deutschland nicht untersagt, es war auch nicht und ist nicht verboten, daraus zu zitieren.
(Zitate daraus sind oft sogar die besten Argumente gegen heutige "Nazis" - siehe oben A. Grosser!)
Neuausgaben hat es auch schon länger in anderen Ländern mit anderem Urheberrecht gegeben, so erfreuten sich die Ausgaben in Russland seit 1992 eines großen Umsatzes (bis es erst 2010 unter Präsident Medwedew dort verboten wurde). Auch in Aserbaidjan, Indien und der Türkei erschienen mehrfach übersetzte Auflagen.